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Montag, 5. November 2012

Outing bei der Famile | 10 Tage HRT





Halliiihalloo liebe Leser(innen) :)


Die letzten Tage waren auf jeden Fall extrem emotional. So war ich am Wochenende wie angekündigt zuhause und habe mich dort geoutet - natürlich im entsprechendem Outfit. Leider habe ich keinen großen Spiegel und darf hier im Studentenwohnheim auch keine Schrauben oder sowas anbringen, deswegen ist das mit Fotos so eine Sache :/

Interessanter ist aber vielleicht auch die Reaktion meiner Familie: Begrüßt wurde ich direkt von meinem kleinsten Bruder, da musste ich im Auto schon anfangen zu lachen, weil mir das irgendwie klar war :D Die haben sich schon immer gefreut wenn ich kam und deshalb kommt auch immer das Begrüßungskomittee - erstmal Fragen abgeblockt, Neugierde war deutlich zu spüren :D

Dann bin ich zielstrebig ins Gartenhäusschen, wäre ja dumm gewesen die 'Bombe' über meinen Bruder platzen zu lassen und als ich mit einem Grinsen reinkam, stecke auch das direkt meine Schwester (nur ein Jahr jünger als ich) und meine Mutter an. Somit war schonmal die Basis für ein angenehmes Gespräch gelegt:

Stück für Stück (Schöne Jacke hast du an - hast du die Fingernägel lackiert?? Wo ist das Röckchen? (Hatte ne schwarze enge Hose mit rotem Gürtel, lila Top mit großem Schleifchen und darüber die schöne Lederjacke an... An Schuhen leider stylistischer Fehlgriff mit Ballerinas weil die Stiefel vom Tamaris mit Keilabsatz dann leider doch erst am Samstag die Packstation erreichten) wurde ich gemustert und meine Mutter ging zuerst von einem Haloween - Kostüm aus (irgendwie makaber, aber ich weiß ja wie es gemeint war^^) - leider hatte ich aus Angst nämlich auch nie an Karneval oder Haloween die Courage aufgebraucht, ein weibliches Outfit zu tragen. Soziale Phobien sind schon seit Kindheitstagen mein ständiger Begleiter und somit ist Vieles für mich sehr schwer, was für andere Leute eher leicht ist. :(

Jedenfalls hatte meine Schwester schnell begriffen, dass es mir damit sehr ernst ist und als dann nach und nach meine Geschwister kamen um mich anzuschauen, stellte sie mich Ihnen direkt als Nina vor. Das sie mich trotzdem noch 'Patat' nennen ist sicherlich ein langer Prozess und für kleine Kinder (7-12 Jahre) nicht leicht zu verstehen. Die Kinder haben auch überwiegend positiv reagiert, mit viel Lachen natürlich, aber besonders der Kleinste hatte da auch keine Berührungsängste und hat mich eher mit Fragen gelöchert, die man kleinen Kindern eben nicht beantworten kann. Auf die Frage 'Wie bist du zur Frau geworden?' habe ich ihm dann meine Qlaira - Pillen gezeigt und gesagt: Damit. Wird ja im weitesten Sinne über die nächsten Monate und Jahre auch so sein :P

Meine Mutter war sehr ungläubig: Sie dachte (wie es meine Schwester und mein ältester kleiner Bruder, denn ich habe nur kleine Geschwister so häufig tun und auch aufgrund des andauernden Lachens von mir uns meiner Schwester), dass ich sie da nur verarschen wollte und wechselte dann von Phasen der Ungläubigkeit zu Tipps was ich noch verbessern könnte, so hat sie mir geraten die Augen komplett mit Eyeliner zu schminken und die Wimperntusche ganz weg zu lassen und Augenbrauen zupfen zu lassen wie sie es halt macht, schlecht aussehen tut es ja nicht, nur die Youtube - Videos haben mir halt was Anderes gesagt ;) Ausprobieren ist aber sicher oberste Devise bis das Make - up irgendwann perfekt sitzt !

Habe dann natürlich alle erdenklichen Fragen beantwortet und durfte direkt Verhütungsratgeberin für meine Mutter spielen. Die beschwerte sich nämlich, dass ihre alte Pille (erwartungsgemäß ein Ethinylestradiol - Präparat) ihre BH's sprengen würde, also direkt auf ein Progesteronpräparat beraten und am nächsten Tag dann auch gleich via Onlineapotheke bestellt! :D Schonmal ein Frauenthema wo ich mir keine Gedanken machen muss, ob ich denn mitreden kann ;)

Als meine Schwester später im Haus war wurde das Gespräch ernster: Zukunftsplanung. Da ich bisexuell bin kann ich mir Sex später schon mit beiden Geschlechtern vorstellen, ich glaube aber nicht, dass ich einen Mann finde mit dem ich eine dauerhafte Partnerschaft eingehen könnte, sondern denke eher an eine lesbische Lebenspartnerschaft. Das Thema Kinderwunsch ist natürlich auch ein Thema und ich habe mir fest vorgenommen noch diese Woche eine Samenbank aufzusuchen solange ich noch fruchtbar und in der Lage bin zum Orgasmus zu kommen. Ich bin aber übrigens sehr erleichtert darüber, dass ich nun endlich nicht mehr andauernd mit Erektion durch die Gegend laufen muss, das Eigenleben hat sich schon weitestgehend verabschiedet und kommt nun nur noch hauptsächlich zum Tragen wenn ich versuche zu Schlafen und verstärkt meine schweren Schlafstörungen...

Wie dem auch sei: Sie betonte an die hundert Mal, dass sie es akzeptieren würde. Aber sei sich halt nicht sicher, ob ich das Richtige tun würde. Verständlich ist das auch angesichts der Tatsache, dass ich Alles immer verheimlicht habe und mich auch nie getraut habe mir weibliche Kleidung nach Hause zu bestellen oder etwas in die Richtung zu sagen. Das konnte sie dann auch nicht verstehen, weil wir ja wissen, dass sie da sehr tolerant ist. Sie sagte allerdings auch, dass sie mich eher für schwul gehalten hätte (wie auch viele Arbeitskolleginnen, Schulkameraden, etc^^) - Fragen in die Richtung habe ich auch schon seit Jahren zu hören bekommen^^ Naja, irgendwann hatte sie mich dann soweit, dass ich emotional sehr aufgebracht war und zu weinen anfing. Ich glaube, dann konnte sie meine Gefühle besser verstehen und es akzeptieren.

Leider lief nicht Alles so gut wie an diesem Freitag: Am nächsten Tag musste ich hören, dass mein ältester kleiner Bruder Marcel mich jetzt wohl als gestorben betrachtet. Allerdings hat er auch eine komische Phase, so ist er z.B. meiner Mutter über gewallttätig gewesen (!!!), woraufhin mein Nachbar vor dem er sich fürchtet und den er als männliches Vorbild betrachtet, ihm mit Gewalt gedroht hat. Er isoliert sich auch zunehmend von der Familie. Ich hoffe, dass sich das noch ändert, ansonsten wäre es natürlich sehr sehr traurig.

Als mir meine Exfreundin dann gestern noch eröffnete, dass sie mich für 4 Wochen nicht sehen wolle um sich an die Umstellung zu gewöhnen, bin ich komplett zusammen gebrochen und war höllisch verzeifelt. Ich saß dann zwei Stunden lang in der Kälte auf einem alten Holzzaun und habe in die Leere gestarrt, nachdem ich das Weinen überwunden hatte. Es ist wirklich nicht leicht. Als meine Exfreundin (ab jetzt schreibe ich von Jessy) merkte, wie schlecht es mir geht, bot sie mir dann doch an, nächsten Freitag als Mädel vorbeizukommen und bei ihr zu schlafen... Ich hoffe Jessy wird damit einigermaßen klarkommen, natürlich ist es auch für sie eine sehr schwere Zeit und es tut mir weh zu wissen, dass sie ziemlich unglücklich ist.

Ansonsten kamen heute die nächsten 6 Monats-Packen Qlaira die bei mir natürlich nur 3 Monate reichen, aber für einen Monat habe ich ja eh noch hier ! Nach 10 Tagen HRT muss ich sagen, dass ich, obwohl es vermutlich Einbildung ist, schon finde, dass mein Gesicht vielleicht wirklich etwas weiblicher wirkt? Kann aber auch von der allgemeinen Hautbildverbesserung kommen, aber jedes Mal wenn ich in den Spiegel gucken kann ich mir nicht helfen: Ich finde mein Gesicht sieht wirklich schon weicher gezeichnet aus - ich hatte allerdings immer schon einigermaßen weibliche Gesichtszüge. Das ewige Gedankenkreisen hat ein Ende gefunden, aber ich habe immer noch viele Ängste.

Ich fühle mich aber endlich auf dem richtigen Weg und freue mich, dass es jetzt langsam anfängt in die richtige Richtung zu laufen und ich werde das auf keinen Fall aufgeben. Bald ist die Umstellung meines Facebook - Profils dran und am Freitag wollte ich mich auch noch bei meinem Vater outen - das wird auch noch interessant, weil er sehr schwer einzuschätzen ist. Einerseits war er in meiner Kindheit und Jugend sehr dominant und auch manchmal gewalttätig, andererseits scheint er seit der Trennung von meiner Mutter vor bald 5 Jahren eine andere Sicht aufs Leben zu haben und ist ruhiger geworden. Und hey, wer als Mann mit engem Ledershirt rumlaufen kann, kann vielleicht auch für sowas Verständnis haben, oder? ;)

Ab Mittwoch will ich versuchen Vollzeit als Frau zu leben, aber ich brauche eigentlich noch 1-2 Hosen, 2 BH's und nen paar mehr Slips, aber da ich für Hormone, Kleidung und Kosmetik inzwischen seit dem 01. Oktober schon fast 800 Euro ausgegeben habe ist es finanziell sehr knapp im Moment, aber ich glaub auch das ich Alles schon hinkriege ;)

Danke fürs Lesen, war ja nun doch kein kurzer Artikel!

Kuss :*
Eure Nina :)


4 Kommentare:

  1. Alle Achtung zum Outing, das fand ich mutig. Du hast dich entschieden diesen Weg zu gehen. toll. Und du bist noch sehr jung, es wird ein tadelloses Ergebnis. Eines Tages wird niemand deine männliche Vergangenheit ahnen. Aber ich glaube eines fehlt dir noch: Geduld.

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  2. Ja... Geduld... nicht so meine Sache :D

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  3. Das Outing ist immer eine komplizierte Angelegenheit.
    Die erste Person, der ich es erzählt habe, war meine Frau.
    Danach habe ich es ein paar Freunden erzählt, die ich nur übers Internet kenne. Dann waren meine direkten Freunde an der Reihe und nach denen meine Familie. Zwischendrin hat es noch die Schwiegerfamilie erfahren, als sich meine Frau von mir getrennt hatte, unter anderen Dingen eben wegen meiner Transsexualität.

    Die Umstellung meines FB-Profils ist noch garnicht so lange her, inzwischen trete ich im Internet aber nur noch als Nina auf.
    Mein Vater weiß es erst seit kurzem und seine Reaktion war: "Du wirst für mich immer mein Sohn bleiben. Ich werde dich nie als Frau akzeptieren". War dann schon ein schwerer schlag, aber da ich eigentlich mit einem Herzinfarkt gerechnet hatte (immerhin ist er über 70), war ich doch erleichtert ^^

    Arbeitskollegen wissen es auch schon alle und der Geschäftsführer ist informiert. Hausarzt ebenso. Mein Hausarzt als Facharzt für innere Medizin ist, soweit ich weiß, auch Endokrinologe, was die Sache etwas einfacher macht.

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  4. Hi,
    habe eben ein bisschen auf deinem Blog rumgelesen. Am neugierigsten war ich von Beginn an auf diesen Beitrag hier. Starke Leistung auf jedenfall! Ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich mit diesem Druck, aufgrund des noch weitverbreiteten mittelalterlischen Unverständnis', fertig werden würde. Deshalb Hut ab und weiterhin alles Gute.
    Darf ich denn aber noch so neugierig sein und fragen, wie die Reaktion deines Vaters schließlich noch war ?
    Und, da es ja jetzt schon 3 1/2 Jahre her war, hat dein ältester kleiner Bruder den "Schock" schließlich überstanden und akzeptiert dich nun in deinem neuen Profil ?
    Viele Grüße
    Benny

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